Napf

Hoch über den Gräben

 

Der Frühling zieht zwar schon ins Land und das Mittelland ist bereits grün, die Wiesen übersäht von den ersten Frühjahrsblumen. Doch der Napf an vorderster Front hat noch einen weissen Überguss und reizt uns zu einer kleinen Schneeschuhwanderung. Wir starten in Hinterey südlich von Luthern Bad. Der Weg führt gegen Osten steil aus dem Tal zur Alp Trachsuegg hinauf. Unser Optimismus wird nicht belohnt. Schon kurz nach unserem Start müssen wir unsere Schneeschuhe wieder abziehen, die Sonne hat den meisten Schnee bereits weggeschmolzen. Auf Trachsuegg finden wir entlang der Hauswand die ersten prachtvollen Schneeglöckchen.

Weiter oben, im Schatten des Napfgipfels, liegt zu Eis gefrorener Schnee. Nicht umsonst kann man in Hinterey als letzte Gelegenheit sogenannte Napfeisen kaufen, die wie halbierte Gletschersteigeisen aussehen. Dank der gezackten Unterseiten kommen wir aber auch mit unseren Schneeschuhen gut voran. Wir folgen dem Bergweg entlang des Nordgrates geradewegs zum Gipfel hinauf.

Dort erwartet uns eine prächtige Aussicht vom Säntis über die Grossen der Berneralpen und dem Walliser Bietschhorn bis hin zu den Freiburger Voralpen. Der Höhenzug des Juras bleibt leider im Dunst verborgen. Die zahllosen Spuren lassen erahnen, dass hier oben an Wochenenden keine Ruhe und Einsamkeit zu finden ist, zumindest nicht bei schönem Wetter. Dafür bleibt uns das Berggasthaus verschlossen und müssen wir den guten Tropfen Gipfelwein selbst hinauftragen, was diesen schliesslich noch besser munden lässt.

Für den Abstieg wählen wir den Westgrat an Grüeblihengst, Napf- und Eyflue vorbei zur Alp Niederenzi. Der Weg weist südlich des Grüeblihängst vorerst zum Grat zwischen Hütte- und Fankhusgrabe hin. Hat man diesen bei einer kleinen Waldlichtung schliesslich erreicht, muss man sich wieder gegen Norden der Napfflue zuwenden, will man nicht auf der falschen Seite des Napfs absteigen.

Auf der Alp Niederenzi verlassen wir den Grat Richtung Norden gegen die Badenegg hin. Oberhalb von Hinterey findet sich schliesslich der Wegweiser zum steilen Weg, der gar nicht so stotzig zu unserem Ausgangsort hinunterführt.

Luthern Bad ist ein viel besuchter Luzerner Wallfahrtsort. Im Tal südlich des Dorfes liegt das Badbrünnli. 1581 soll dem gichtkranken Bauern Jakob Minder die Mutter Gottes erschienen sein und ihm geraten haben, unweit seines Hauses nach einer Quelle zu graben und sich zu seiner Heilung mit ihrem Wasser zu waschen. Jakob Minder folgte dem Rat und wurde wieder gesund. Die Kunde von der wundervollen Heilung verbreitete sich daraufhin rasch und zog zahlreiche Pilger an. Selbst der deutsche Kaiser sandte nach der Quelle. Jakob Minder schliesslich musste das Wunder vor der Luzerner Regierung bezeugen, worauf diese 1583/84 in Luthern Bad eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes bauen liess. Später wurde auch beim Badbrünnli eine kleine Kapelle zur stillen Einkehr errichtet. Die Quelle erfährt auch heute noch regen Besuch von mit Flaschen beladenen Pilgern, wie wir am Ende unserer Rundwanderung feststellen konnten. Wer auf der Rückfahrt noch etwas Zeit hat, der sollte sich auch einen Besuch im schmucken Städtchen Willisau nicht entgehen lassen, wo die uns allen aus der Kinderzeit schon bestens bekannten Willisauer Ringli hergestellt werden.

Der Napf mit seinen vielen Gräben und abgelegenen Gehöften war und ist Quelle zahlloser Geschichten und Sagen, die Gotthelfs Bild- und Sprachgewalt in sich tragen. Wer in diesem Gebiet einmal in schlechtes Wetter geraten und sich dabei an eine dieser Geschichten erinnern sollte, der wird vielleicht feststellen, dass die darin beschriebenen Wesen und Gestalten noch heute ihr Unwesen zu treiben vermögen.


Abb. 1 Schneeglöckchen auf der Alp Trachsuegg


Abb. 2 Blick gegen Süden in Richtung der Berner Alpen mit Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau


Abb. 3 Auf dem Westgrat des Napf mit Blick auf die Alp Niederenzi

Tatsachen muss man kennen, bevor man sie verdrehen kann.
Mark Twain